Die neue Maschinenrichtlinie
Veröffentlicht am 16. Januar 2025 in AI
Der Übergang der Europäischen Union von der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG zur neuen Maschinenverordnung (2023/1230/EU), die am 20. Januar 2027 in Kraft treten wird, bringt eine deutliche Veränderung der gesetzlichen Anforderungen für Maschinen und zugehörige Produkte mit sich. Für Systemintegratoren bedeutet die neue Verordnung strengere Anforderungen für die Nutzung von KI-gesteuerten Systemen, autonomen Maschinen und miteinander verbundenen Systemen. Für Betreiber, insbesondere von komplexen Maschinensystemen, stellt die Vorbereitung auf diese Änderungen eine strategische Notwendigkeit dar.
Die Sicherheitsziele bleiben bestehen, der Ansatz wird innovativer
Das übergeordnete Ziel der neuen Verordnung bleibt im Vergleich zur vorherigen Richtlinie weiterhin die Gewährleistung der sicheren Konzeption, Konstruktion und Nutzung von Maschinen. Die neue Verordnung zielt jedoch darauf ab, Lücken in der ursprünglichen Richtlinie zu schließen, insbesondere in Hinsicht auf die Fortschritte in den Bereichen digitale Technologien und Komplexität der modernen Fertigung. Zu den wichtigsten Neuerungen gehören ein stärker strukturierter Ansatz für Konformitätsbewertungen, explizite Bestimmungen in Hinsicht auf Digitalisierung und Cybersicherheit sowie eine direkte rechtliche Anwendung in allen EU-Mitgliedstaaten ohne Umsetzungen auf nationaler Ebene.

Der neue gesetzliche Rahmen
Zu den wesentlichen strukturellen Änderungen gehört die Angleichung der Maschinenverordnung an den neuen gesetzlichen Rahmen der EU, der sogenannte New Legislative Framework (NLF). Dieser Ansatz optimiert die Konformität durch Harmonisierung der Verfahren über verschiedene Produktkategorien hinweg. Darüber hinaus schafft er Klarheit in der Terminologie und in den Prozessen, insbesondere in Hinsicht auf Hochrisiko-Maschinen und neue Risiken im Zusammenhang mit digitalen Technologien wie KI und vernetzten Systemen.
Die Rolle von KI, Cybersicherheit und Digitalisierung
Der wahrscheinlich transformativste Aspekt der neuen Maschinenverordnung ist der Fokus auf digitale Technologien. Dabei geht es explizit um Risiken im Zusammenhang mit KI, maschinellem Lernen und vernetzten Geräten. Systeme mit teilweise oder vollständig selbst entwickelndem Verhalten, wie sie häufig in KI-gestützten Geräten vorkommen, erfordern jetzt beispielsweise eine strengere Bewertung durch Dritte. Damit soll sichergestellt werden, dass adaptive Systeme auch dann sicher bleiben, wenn sie sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln.
Ein weiterer wichtiger Grundpfeiler ist die Cybersicherheit. Maschinen müssen so konstruiert sein, dass sie böswilligen Versuchen zur Beschädigung sicherheitskritischer Komponenten oder Software standhalten. Diese Anforderung steht im Einklang mit der weitgreifenderen Cyberresilienz-Verordnung, ist jedoch auf die Maschinensicherheit zugeschnitten und geht auf Risiken ein, die ausschließlich in Fertigungsumgebungen auftreten.
Eine praktische Ergänzung der Verordnung besteht in der digitalen Dokumentation. Sie ermöglicht es Herstellern, Benutzerhandbücher und Konformitätserklärungen online bereitzustellen. Dadurch können die Umweltauswirkungen und Betriebskosten verringert werden, Hersteller müssen jedoch sicherstellen, dass die digitalen Ressourcen mindestens zehn Jahre nach Markteintritt eines Produkts zugänglich bleiben.

Bedeutung für Automatisierungsprojekte
Folgende Auswirkungen bringt die Maschinenverordnung für die Akteure in der Automatisierungsindustrie mit sich:
- Kollaborative Roboter: Mit der neuen Maschinenverordnung sollen Sicherheitsrisiken in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter angegangen werden. Cobots arbeiten häufig in der unmittelbaren Umgebung von Menschen. Daher müssen Unternehmen sicherstellen, dass ihre Sicherheitsfunktionen auch in sich verändernden Umgebungen zuverlässig funktionieren. Mit der Verordnung werden strengere Anforderungen für Cobots eingeführt, die auf KI oder adaptivem Verhalten basieren, insbesondere wenn diese Systeme Einfluss auf sicherheitskritische Funktionen haben. In solchen Fällen kann es erforderlich sein, dass Dritte die Einhaltung der Konformität bewerten und verifizieren.
- Integration von autonomen Systemen: Autonome Maschinen, wie z. B. mobile Roboter, müssen jetzt über spezielle Überwachungsfunktionen verfügen, die es den aufsichtsführenden Personen ermöglichen, aus der Ferne an Echtzeitinformationen über die Maschine zu gelangen und bei Bedarf einzugreifen. Dazu gehört die Möglichkeit, den Roboter anzuhalten, zu starten oder neu zu positionieren, um die Sicherheit zu gewährleisten, ohne zusätzliche Risiken zu verursachen. Noch wichtiger ist jedoch, dass die Verordnung vorsieht, dass die Überwachung entweder direkt oder indirekt durchgeführt werden kann, z. B. durch Kamerasysteme. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Bewegung und der Arbeitsbereich der Maschine vollständig überwacht werden können.
- Künstliche Intelligenz: Bei Systemen mit teilweise oder vollständig selbst entwickelndem Verhalten, wie z. B. Systeme, die maschinelles Lernen nutzen, muss sichergestellt werden, dass ihre adaptive Funktionalität die Sicherheit nicht beeinträchtigt. Die Verordnung schreibt ausdrücklich vor, dass sicherheitskritische KI-Systeme strengen Risikobeurteilungen und in vielen Fällen Konformitätsbewertungen durch Dritte unterzogen werden müssen, um die Konformität zu verifizieren. Darüber hinaus dürfen KI-Systeme während ihrer Anlernphase keine Änderungen vornehmen, die zu unvorhergesehenen Risiken oder Gefahren führen könnten.
- Cybersicherheit in vernetzten Systemen: Die Maschinenverordnung befasst sich auch mit den zunehmenden Risiken in Verbindung mit vernetzten und ferngesteuerten Maschinen. Diese Maschinen müssen nun so konstruiert sein, dass ein unbefugter Zugriff oder eine unbefugte Manipulation nicht möglich sind, durch die sicherheitskritische Funktionen beeinträchtigt werden könnten. Dazu gehört der Schutz vor böswilligen Eingriffen über physische Verbindungen wie USB-Anschlüsse oder digitale Kanäle wie Netzwerksysteme.

Vorbereitung der Konformität: ein proaktiver Ansatz
Die Übergangsphase für die Maschinenverordnung bietet Unternehmen, die an Projekten zur Industrieautomation arbeiten, ein wichtiges Zeitfenster zur Vorbereitung. Eine vollständige Konformität muss dann bis Januar 2027 erreicht werden. Unternehmen sollten vorbereitend zunächst eine umfassende Überprüfung der vorhandenen Maschinen und Systeme durchführen, um Lücken bezüglich der neuen Anforderungen zu ermitteln. Besondere Aufmerksamkeit sollte den Bestimmungen für Hochrisiko-Maschinen, digitale Sicherheitskomponenten und Schwachstellen in der Cybersicherheit gewidmet werden, da dies die Schlüsselbereiche in der neuen Verordnung sind.
Die frühzeitige Einführung harmonisierter Standards – sofern verfügbar – kann auch dazu beitragen, den Konformitätsprozess zu optimieren, selbst wenn sich viele der Standards noch in der Überarbeitung befinden. Ein weiterer wichtiger Schritt besteht in der Durchführung von Schulungen, um die Teams mit dem Wissen auszustatten, das sie für den Umgang mit neuen Technologien benötigen.
Für Systemintegratoren und Betreiber bietet die neue Maschinenverordnung einen Rahmen, um Innovationen voranzutreiben und die Sicherheit in einer zunehmend digitalen Fertigungslandschaft zu gewährleisten. Indem sie jetzt handeln, können sich die Hauptbeteiligten auf einen nahtlosen Übergang vorbereiten, die sich bietenden Chancen nutzen und robuste Systeme aufbauen, die den Anforderungen der Zukunft gerecht werden.